Sie hat es geschafft. Viktoria hat ihre zweite Operation im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift erfolgreich hinter sich gebracht. Nachdem wir den ersten Termin im November aufgrund von Quarantäne und meiner eigenen Corona-Infektion verschieben mussten, konnte der Eingriff nun endlich stattfinden. Genauer gesagt am 11. Februar. Und trotzdem hätten wir den Termin fast ein zweites Mal ganz knapp verpasst…
Aber von vorn: Die Vorbereitungen für unseren Hamburg-Aufenthalt waren so gut wie abgeschlossen. Alles war durchgeplant. Adams Koffer war gepackt, sodass er am Mittwochabend zu Oma und Opa gebracht werden konnte. Und mein Arbeitspensum war ebenfalls so abgearbeitet, dass ich getrost nach Hamburg fahren konnte. Und dann passierte etwas, wovor ich seit 2 Jahren Bammel habe, von dem wir aber bis dato verschont geblieben sind. Kurz nach Schulbeginn am Mittwoch klingelte mein Handy, während ich am Schreibtisch in meinen Arbeitstag startete. Es war Adams Klassenlehrerin. Und das konnte nur eines bedeuteten. Ich behielt Recht. Adams Schnelltest in der Schule war positiv und wir mussten ihn sofort dort abholen. Ich hätte heulen können. Da hatten wir es bis einen Tag vor dem Termin in Hamburg geschafft und wieder sollte uns Corona dazwischenkommen. Ich machte mich also keine Stunde nach Dienstbeginn auf den Weg zurück nach Hause und telefonierte dabei schon einmal mit der Praxis unserer Kinderärztin, um Adam für einen PCR-Test anzumelden. Dabei erfuhr ich auch gleich, dass die PCR-Tests, die Viktoria und ich für die ambulante Operation brauchten, negativ waren. Die notwendigen Zertifikate lagen abholbereit vor. Allerdings war die Ärztin selbst erkrankt und die Schwestern schickten uns mit Adam zu einem Testzentrum, das auch PCR-Testungen durchführt. Allerdings nur, wenn der Schnelltest dort ebenfalls positiv ausfallen sollte. Und genau dieses Prozedere war dieses Mal unser Glück. Denn die Ärztin, die im Testzentrum sehr gründlich und gewissenhaft den Schnelltest bei Adam durchführte, bescheinigte uns 15 Minuten später, dass Adam kein Corona hatte. Der Test war negativ. Offiziell bestätigt.
Damit hatten sich alle Probleme, eventuelle Terminverschiebungen mit Hamburg und Quarantäne-Ängste von Adam in Luft aufgelöst. Alles konnte so stattfinden, wie es seit Wochen geplant war.
Wie bereitet man ein Kleinkind aufs Krankenhaus vor?
Und so machten wir uns am Donnerstag noch vor dem Aufstehen auf den Weg nach Hamburg. Im Auto erzählten wir Viktoria immer wieder, wohin wir fahren und was sie in den kommenden Stunden erleben würde. Natürlich erwähnten wir nur die Untersuchungen durch die Ärzte, denn was eine Operation ist, kann man in ihrem Alter noch gar nicht erfassen. Schon Wochen vorher haben wir mit ihr geübt, dass sich jemand ihren rechten Arm anschauen wird, ihn genau untersuchen und abtasten wird. Immer wieder tasteten wir selbst ihren Arm ab, um ihr die Angst zu nehmen. Vor ihrer Kinderärztin hat sie schon seit dem ständigen Wechseln der Gipsschiene keine Angst mehr. Darauf konnten wir aufbauen.
Zusätzlich hatte ich für Viktoria das Buch „Was passiert im Krankenhaus“ aus der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum?“ gekauft, das wir uns rauf und runter anschauten. Und obwohl das Buch eigentlich erst für die Altersgruppe 4 bis 7 empfohlen ist, hat es uns sehr geholfen. Wir konnten Viktoria vieles erklären, ihr sogar das Röntgen und verschiedene Ärztinnen und Ärzte auf Bildern zeigen. Auch Kinder mit Gipsarmen und –beinen hat sie in diesem Buch sofort entdeckt. Leider gibt es für Viktorias Alter nur wenig Literatur zum Thema Krankenhaus. Klar gibt es Geschichten darüber, was beim Kinderarzt passiert, und über Kinder, die sich verletzen und deshalb ins Krankenhaus müssen. Aber um ein Kleinkind langfristig auf eine Operation vorzubereiten, gab es aus meiner Sicht nichts anderes als dieses Klappenbuch. Und Viktoria liebt dieses Buch. Sie blättert es auch heute immer wieder durch und vermischt die Illustrationen mit ihren eigenen Krankenhaus-Erinnerungen.

Vielleicht lag es auch an der Vorbereitung, dass Viktoria beim ersten Termin im Hamburger Kinderkrankenhaus Wilhelmstift vollkommen entspannt war. Sie lächelte alle an, die uns begegneten, quatschte fröhlich mit der Sekretärin und schaute sich die Handchirurgie-Abteilung ganz genau an. Auch als der Arzt dann schließlich ihren Arm untersuchen wollte, hielt sie ihm den rechten Unterarm bereitwillig hin. Anfangs noch auf meinem Schoß, ging sie nach und nach selbst zum Arzt. Weil die Untersuchungen im Wilhelmstift nicht nach 5-Minuten-Kurz-Beschau abgeschlossen sind, sondern sehr gründlich und erklärend vorgenommen werden, hatte Viktoria auch Zeit, sich mit dem Arzt vertraut zu machen. Selbst im Untersuchungszimmer gab es eine kleine Spielecke, sodass mir der Arzt in Ruhe den Ablauf des Eingriffs erklären konnte, während Viktoria die Spielzeugautos durchs Zimmer schob. Geplant waren für den Eingriff rund 75 Minuten, während dieser auch die neue Nachtschiene angepasst werden sollte. Wenn der Draht fester verwachsen sein sollte, könne es auch länger dauern. Nach dem Aufwachen aus der Narkose würde Viktoria noch beobachtet werden und könnte anschließend auch wieder nach Hause.
Nach der Untersuchung durch den Arzt und das Röntgen durfte sich Viktoria außerdem die farbliche Zusammenstellung ihrer neuen Nachtschiene aussuchen. In einem Schrank auf Kinderaugen-Höhe lagen alle möglichen Farben der Schiene und der Klettverschlüsse, sodass sich Viktoria gezielt aussuchen konnte, wie ihre Schiene schlussendlich aussehen würde. Aus der Kombination rote Schiene und Klettverschluss in knallpink wurde am Ende dann doch rote Schiene mit roten Verschlüssen. Die roten Klettverschlüsse hatte Viktoria nämlich anfangs gar nicht gesehen. Ich brauche wohl nicht erklären, dass Rot ihre momentane Lieblingsfarbe ist.
Zum Abschluss des Untersuchungstages besuchten wir noch die Anästhesistin, die mir erneut den Narkoseablauf erklärte und mir das „Zauberpflaster“ aushändigte, das die Einstichstelle der Kanüle betäuben sollte. Eineinhalb Stunden vor dem Termin am nächsten Tag sollten wir das Pflaster aufkleben. Wieder am linken Knöchel, weil es bei Viktoria immer Probleme bei Zugängen im linken Arm gab. So sollte sie die Kanüle wieder im Fuß bekommen.
Und schließlich erfuhren wir auch die geplante Zeit der Operation: Freitag, 8 Uhr. Um 7 Uhr bei der Vorbereitung melden. Ziemlich früh, selbst für unsere kleine Frühaufsteherin, aber immerhin hätte sie es dann schnell hinter sich. Vor allem musste Viktoria dann nicht so lange aufs Essen verzichten. Einem Kleinkind zu erklären, dass es vor einer Operation nichts essen und irgendwann auch nichts mehr trinken darf, ist nämlich gar nicht so einfach.
Den restlichen Tag und die Nacht vor der Operation verbrachten wir bei meiner Familie in der Nähe von Hamburg. Von dort aus sind es nur 45 Minuten bis zur Klinik und wir nutzen die Gelegenheiten im Norden gern, damit die jüngsten Generationen meiner Familie sich auch kennenlernen können. Außerdem hat der hausgemachte Brombeerschnaps meiner Tante schon vor einem Jahr sehr verlässlich dafür gesorgt, dass sich die Anspannung vor der Operation ein wenig gelegt hat.
Der ambulante Eingriff
Nach einer kurzen Nacht standen wir also am Freitag pünktlich um 7 Uhr mit Zauberpflaster am Knöchel in der Klinik. Wieder einmal mussten wir uns vom Papa verabschieden, weil aufgrund der ganzen Pandemie-Maßnahmen immer noch nur eine Person das Kind begleiten darf. Das war auch schon vor einem Jahr so. Unfassbar, wie wenig sich in den 10 Monaten geändert hat. Und eigentlich auch sehr traurig. Dennoch wurde Viktoria sehr liebevoll von den Krankenschwestern empfangen, sie durfte sich mit ihrem Teddy in das vorbereitete Gitterbett kuscheln und noch ein wenig spielen. Wieder hatten wir das Krankenhaus-Buch dabei, in dem sie auch vieles entdeckte, das sich im Vorbereitungsraum befand. Selbst das Gitterbett ist im Buch zu sehen. Das Anziehen des Op-Hemdes war für die kleine Maus kein Problem. Für sie war es einfach ein schickes neues Kleidchen. Nur den Beruhigungssaft wollte Viktoria nicht von den Schwestern annehmen und so mussten wir sie doch festhalten, damit sie den Saft schnell zu sich nimmt. Von da an konnte man zuschauen, wie sie sich immer mehr entspannte, müder wurde und schließlich nur noch im Liegen das Buch anschauen konnte. Sitzend wäre sie taumelnd umgefallen. Alles erinnert irgendwie an einen Vollrausch. Und dann war es auch schon so weit. Das Gitterbett wurde in die Schleuse vorm Op-Saal geschoben. Bei der letzten Operation musste ich mich da schon von Viktoria verabschieden. Die Anästhesistin war aber dieses Mal anderer Meinung und ließ mich so lange bei meiner Tochter, bis die Narkose einsetzte. So wurde eine schlafende Maus in den Op-Saal geschoben, was für beide Seiten im Nachhinein die bessere Methode war.

Eingeplant waren 75 Minuten für die gesamte Operation. Die Wartezeit verbrachte ich dieses Mal direkt am Aufwachraum, tigerte hin und her und konnte aufgrund der fehlenden Netzabdeckung der Telefone auch keine Nachrichten nach draußen schicken. Umso glücklicher war ich, als ein Pfleger der Aufwachstation mich schon nach 45 Minuten dort im Wartebereich abholte, um mich zu meiner Tochter zu bringen. Und da lag sie wieder. Im selben Saal, wie vor 10 Monaten, im selben Gitterbett. Aber dieses Mal war es irgendwie nicht ganz so beängstigend, weil kein riesiger Gipsverband mit Drainage unter der Decke hervorschaute, sondern Viktoria friedlich schlafend dalag. Der Monitor, an dem sie angeschlossen war, zeigte gute Werte, wie mir der Pfleger freundlich erklärte.


Und so konnte ich an ihrem Bett sitzen und warten, dass sie wieder aufwachte. Diese Zeit nutzte ich, um die ersten Nachrichten an die Familie schicken, damit alle wussten, dass sie es geschafft hatte. Erneut. Wie schon bei der ersten Operation brauchte Viktoria sehr lange, um aus der Narkose wieder aufzuwachen. Währenddessen bekam ich schon Besuch vom operierenden Arzt, der mir sagte, dass auch diese Operation wie im Bilderbuch verlaufen sei und keine Probleme aufgetreten wären. Außerdem drückte er mir den Draht, den sie gerade aus Viktorias Knochen geholt hatten, in die Hand. Den durften wir mit nach Hause nehmen und werden ihm in einem Rahmen einen würdigen Platz in ihrem Zimmer geben. Irgendwann möchte ich ihr daraus mal ein Schmuckstück als Erinnerung anfertigen lassen, für einen Ring wäre der Draht lang genug. Auch die neue Nacht-Schiene bekam ich noch im Aufwachraum in die Hand gedrückt. Ganz nach Viktorias Wünschen und Vorstellungen ist die neue Schiene nun rot mit roten Klettverschlüssen. Eben ihre Lieblingsfarbe.

Fast eineinhalb Stunden nachdem sie in den Aufwachraum geschoben wurde, schlug sie endlich die Augen auf. Und was soll ich sagen? Sie wachte auf, setzte sich hin und hatte sofort Hunger. Als wäre sie gerade von einem gemütlichen Mittagsschläfchen aufgewacht. Die Pfleger dort hatten auch gleich Salzbrezeln und Butterkekse für sie bereitgestellt, von denen sie dann naschen durfte. Schon kurz nach dem Aufwachen wirkte sie mehr als fit, hat den Verband am rechten Arm nur kurz begutachtet, aber ansonsten ignoriert. Für größeres Geschrei sorgte die Kanüle am Fuß, die sich durch ihre Bewegungen unterm Pflaster gelöst hatte und das ganze Bett vollbluten ließ. Davor hatte Viktoria große Angst und konnte erst gar nicht damit umgehen. Aber auch dabei waren die Schwestern und Pfleger eine große Hilfe. Und den Blutfleck haben wir einfach mit einem Tuch abgedeckt. Aus den Augen, aus dem Sinn.
5 Stunden, nachdem wir an diesem Tag das Krankenhaus betreten hatten, durfte ich Viktoria um 12 Uhr auf den Arm nehmen und durch die Eingangstür nach draußen treten. Dort wurde sie freudestrahlend von ihrem Papa in Empfang genommen, der die ganze Rückbank mit Süßigkeiten, Obst und Snacks dekoriert hatte. Es war alles dabei, was Viktoria gern isst und sie hat dieses Angebot mehr als glücklich angenommen. Vorbeugend hatte mir die Krankenschwester noch Schmerzmittel eingepackt, denn Viktoria hatte nach der Operation keine bekommen. Aber gebraucht haben wir die Schmerzmittel nicht. Nicht ein einziges Mal hat Viktoria gesagt, dass ihr der Arm wehtut. Anscheinend war wirklich alles in bester Ordnung. In den kommenden Tagen spielte sie viel, lag immer mal wieder auf der Couch zum Ausruhen und träumte nachts sehr lebendig und wortstark. Sie hatte viel zu verarbeiten.
Am Dienstag, 4 Tage nach der Operation, wurden wir dann bei unserer Kinderärztin vorstellig, die erstmals den Verband und das Pflaster abnahm, um sich die Narbe anzusehen. Alles verheilte sehr gut, die Wunde war trocken und schon verschorft. Und die Fäden sollte sich in 2 Wochen selbst auflösen. Es sah wirklich gut aus, aber die Wunde musste aus Viktorias Sicht sofort wieder mit einem Pflaster bedeckt werden. Sie hat anscheinend keine Probleme mit der Operation an sich, kann sich aber die Wunde anschließend nicht ansehen. Sie ist also doch durch und durch meine Tochter.
Die Operation ist nun fast 5 Wochen her, alle Fäden sind weg und der Arm wird weiterhin ganz selbstverständlich genutzt. Auch die Ergo- und Physiotherapien sind wieder angelaufen und arbeiten daran, den rechten Arm weiterhin zu kräftigen.
In zwei Jahren, Viktoria ist dann fast 5 Jahre alt, sollen wir wieder im Wilhelmstift vorsprechen. Dann wird geschaut, wie sich der Arm und die Hand entwickelt haben und was man operativ eventuell noch machen müsste bzw. könnte. Eine neue Schiene bekommt Viktoria immer, wenn wir das Gefühl haben, dass die alte zu klein wird. Dann können wir einen separaten Termin vereinbaren. Aber operationstechnisch hat Viktoria die nächsten zwei Jahre erstmal Ruhe.
Auch nach der zweiten Operation kann ich das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, insbesondere auch den Fachbereich Handchirurgie, nur allen Eltern empfehlen. Das Krankenhaus genießt nicht nur einen exzellenten Ruf in ganz Deutschland, es wird diesem Ruf auch mehr als gerecht. Die Ärztinnen und Ärzte sind absolut kinderlieb, die Krankenschwestern und Pfleger kümmern sich rührend um die kleinen Patienten in allen Fachbereichen und man fühlt sich als Eltern auch nie allein gelassen.
Alle Artikel zu unseren Aufenthalten im Wilhelmstift in Hamburg findet ihr hier:
1 Jahr Viktoria – ein Update zum Babymädchen
Hallo. Unser Sohn kam auch damit auf die Welt. Können Sie mich mal kontaktieren für einen Austausch? LG
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