Sie hat es geschafft. Wir haben es geschafft. Viktorias Operation, die Operation, auf die wir monatelang hingefiebert haben, ist erfolgreich verlaufen. Am 7. April wurde die kleine Maus in Hamburg operiert und hat uns damit die wohl schlimmsten Stunden beschert, in denen wir vor dem Operations-Saal warten mussten.
Aber von vorne: Im Februar 2020 waren wir zum ersten Mal im Wilhelmstift in Hamburg, einem katholischen Kinderkrankenhaus. (Den Blogbeitrag findet ihr hier) Die Empfehlung kam von unserer Kinderärztin, die bereits eine ihrer jungen Patientinnen dorthin überwiesen hatte, und vom Handchirurg unseres örtlichen Krankenhauses. Die Klinik genießt deutschlandweit einen exzellenten Ruf. Und nach unserem ersten Besuch wussten wir auch, warum dies so ist. Das gesamte Team der Handchirurgie hat uns tief beeindruckt. Diese Kinderfreundlichkeit gepaart mit Fachkompetenz ist nicht oft üblich in Krankenhäusern. Oft fühlt man sich doch eher als Klotz am Bein der Mediziner, aber dieses Gefühl wurde uns dort absolut nicht vermittelt. Wir konnten schon beim ersten Termin alle Fragen loswerden und uns wurde die geplante Opereration in allen Einzelheiten erklärt. Auch, welche Erleichterungen sie Viktoria bringen würde. Aus diesem Grund entschieden wir uns, die Operation von Viktoria in Hamburg durchführen zu lassen. Anfang Dezember erreichte uns schließlich der Brief der Klinik mit dem ersehnten Operationsdatum: 7. April 2021. Dieser Tag sollte es also sein, inklusive der Voruntersuchungen am 6. April.
Die Operation
Am 6. April fuhren wir also in aller Frühe nach Hamburg. Und damit meine ich wirklich in aller Frühe. Denn weil der Corona-Test nicht älter als 24 Stunden alt sein durfte und über die Osterfeiertage natürlich nirgendwo hier ein Testzentrum geöffnet hatte, mussten wir bereits 8 Uhr in Hamburg zum Corona-Test in der Klinik sein. Leider haben uns die Corona-Verordnungen noch in einer besonderen Hinsicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn jedes Kind darf nur von einem Elternteil in die Klinik begleitet werden. Und dieses Elternteil darf auch nicht wechseln, weil es gleich mitgetestet wird. Also musste ich notgedrungen alle Untersuchungen und auch später die Tage im Krankenhaus allein mit Viktoria absolvieren, was wirklich schlimm war. Vor allem auch für den Papa, der nirgendwo mit hinein durfte. Nach dem Corona-Test durften wir dann aber gleich in die Röntgen-Abteilung gehen, wo wir auch innerhalb kürzester Zeit ein aktuelles Röntgenbild bekamen. Die Abläufe in der Klinik sind super getaktet, damit die Kinder nicht so lange warten müssen. Dann erklärte mir einer der Ärzte, wie genau die Operation ablaufen würde und was genau gemacht wird. Auf dem Röntgenbild war nicht nur zu sehen, dass der rechte Unterarm zumindest ein wenig mitgewachsen ist. Dieses Mal konnten wir sogar das Stückchen Elle sehen, das Viktoria dort hat. Nur ein kleines Stückchen Knochen, das aber umso wichtiger ist, weil es dafür verantwortlich ist, dass der Ellenbogen bei Viktoria funktioniert und sie den Arm beugen kann. Das kommt wohl nicht ganz so häufig vor. Wenn ein Knochen im Unterarm fehlt, dann fehlt er wohl fast immer ganz. Dass wir nun dieses Stückchen Elle haben, ist eben auch eine Laune der Natur. Genau wie die Fehlbildung des rechten Unterarms. Die Speiche ist aber weiter in einem Bogen nach außen gewachsen. Dieser sollte mit der Operation korrigiert werden.
Das bedeutet, dass aus der Speiche an der extremsten Beugung ein kleiner Keil, quasi ein Tortenstück, rausgeschnitten wurde. Anschließend wurden die beiden Teile der Speiche mit Hilfe eines Drahts durch den Knochen und einer Drahtnaht wieder verbunden. Dadurch sollte der Knochen etwas gerader werden. Das war Ziel der Operation. Außerdem wollten die Ärzte schauen, warum das Handgelenk so stark nach rechts außen zieht – ob es wirklich schief sitzt oder die Bewegung durch irgendwas blockiert wird. Das könne man aber erst während der Operation sehen, erklärten mir die Ärzte in Hamburg. Was bei den Medizinern nach ihrem täglichen Brot und total simple klingt, hat in mir die schlimmsten Bilder hervorgerufen. Schließlich ist Viktorias rechter Unterarm ja wirklich noch sehr kurz. Aber so richtig Zeit, darüber nachzudenken, hatte ich während der Untersuchungen, des Röntgens und des Narkose-Aufklärungsgespräches nicht. Das kam dann erst im Lauf des restlichen Tages, als ich dem Papa und dem Rest der Familie von der Op-Planung erzählte.


Da es in der Kinderklinik so ist, dass man erst am Tag der Operation stationär aufgenommen wird, haben wir die Nacht bei meinem Onkel und meiner Tante verbracht, um dann am nächsten Morgen pünktlich 8.30 Uhr wieder in der Klinik zu stehen. Der Papa musste uns vor der Eingangstür verabschieden, in dem Wissen, dass er Viktoria erst wiedersehen würde, wenn wir entlassen werden. Das finde ich ziemlich unmenschlich und jeder, der über Corona-Maßnahmen entscheidet, sollte darüber nachdenken, was diese Maßnahmen mit den Menschen machen. Jedenfalls ist das eine unmögliche Entscheidung, aber die Klinik war eben auch an die Vorgaben gebunden. Pro Kind nur ein Elternteil, der den ganzen Aufenthalt über nicht wechseln darf, und kein Besuch während des Aufenthalts.
Also musste ich allein mit Viktoria, zwei Koffern und dem Kinderwagen in den Op-Vorbereitungsraum, wo wir auch schon erwartet wurden. Eigentlich sollte die Operation erst am späten Vormittag beginnen. Weil Viktoria aber die erforderliche Zeit nüchtern geblieben war und eine andere Operation nicht so lange dauerte, begannen die Vorbereitungen gleich nach unserer Ankunft. Zuerst bekam Viktoria den so genannten „Leck mich am Arsch“-Saft, ein Beruhigungsmittel, damit sich das Kind etwas entspannen kann und weniger Angst hat. Dann durfte ich ihr das Op-Hemd anziehen und noch ausgiebig mit ihr spielen und kuscheln. Als das Beruhigungsmittel schließlich richtig wirkte, war es, als hätte meine Tochter zum ersten Mal Alkohol getrunken und sie musste dann liegend im Bett spielen. Ihr Teddy war auch dort immer dabei. Ich hatte vorher als Glücksbringer zwei identische goldene Anhänger mit dem Schriftzug „GRL PWR“ bei Purelei gekauft. Einen trage ich an einem Armband, den anderen trägt Viktorias Teddy als Kette. Da dieser auch mit in den Op durfte, war der Glücksbringer immer nah bei Viktoria, auch wenn wir es nicht sein durften. Dann kamen schließlich die Schwestern und die Narkoseärztin, die uns in den Op-Vorbereitungsraum führten. Dort wurde Viktoria auf eine schmale Liege gelegt und – ja wirklich – am Bauch fixiert. Sonst wäre sie runtergefallen. Und dann das wohl Schlimmste: Ich musste mich von Viktoria verabschieden. Von einem ängstlichen und weinenden Mädchen, das vollkommen wach in den Op-Saal geschoben wurde, ohne ihre Eltern. Die Ärztin versicherte mir, dass sie innerhalb von 2 Minuten in Narkose liegen würde, dennoch ist es für Eltern unfassbar schwer, loszulassen.



Der Klinik-Aufenthalt
Von den knapp 3 Stunden zwischen Op-Saal und Aufwachraum weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr viel. Vieles ist wie ein Film vorbeigezogen und wurde dann quasi gelöscht. Die erste Zeit haben wir als Eltern gemeinsam draußen vor der Klinik gewartet und gebangt. Schließlich lag unsere kleine Tochter dort im Op. Obwohl wir ein Jahr auf diesen Termin gewartet hatten, fühlte es sich total surreal an und natürlich fragt man sich, ob man die richtige Entscheidung für die Operation getroffen hat. Nach circa der Hälfte der Zeit bin ich dann aber doch wieder in die Klinik gegangen und habe im Op-Bereich darauf gewartet, dass Viktoria in den Aufwachraum gebracht wird. Und nach 2 Stunden und 30 Minuten durfte ich dann endlich wieder zu meiner Tochter, die tief schlafend vor mir lag. An Überwachungsmonitore und Tropf angeschlossen. Und vor allem mit einem dick umwickelten rechten Unterarm, die an ihr total fehl am Platz wirkte. Knapp eine Stunde saß ich an Viktorias Bett, informierte den Papa und die Familie darüber, dass sie es geschafft hatte. Und nachdem mir die Oberärztin versichert hatte, dass die Operation vorbildlich und absolut nach Plan verlaufen ist, fiel mir doch ein riesiger Stein vom Herzen. Kurz darauf regte sich Viktoria und schlug die Augen auf. Noch ziemlich benommen, aber schnell wieder hellwach. So als ob sie gerade von einem Mittagschlaf aufgewacht wäre. Nachwehen von der Narkose hatte sie glücklicherweise keine.


Und das blieb auch den restlichen Tag so. Klar, sie war müde, verängstigt und vor allem von ihrem Arm irritiert. Aber sie durfte den ganzen Tag auf mir liegen und schlafen und dadurch wurde sie Stück für Stück ruhiger und entspannter. Außer, eine der Schwestern oder Ärztinnen betraten den Raum, dann war das Schreien laut. Aber es musste ja regelmäßig geschaut werden, ob der Verband noch sitzt, ob das Blut aus der Wunde richtig abläuft und wie es der kleinen Patientin allgemein geht. In den Räumen der Kinderklinik gibt es neben den hohen Gitterbetten für Kinder auch Betten für die Mütter, ein wenig erinnerten mich diese Betten an Klassenfahrten. Aber sie standen an der Wand und so konnte Viktoria bei mir im Bett schlafen, ohne dass ich Angst haben musste, sie könnte aus dem Bett purzeln. Denn in dieses Gitterbettchen haben sie nach dem Weg in den Op keine zehn Pferde mehr reingekriegt. Den ersten Tag und die erste Nacht liefen Schmerzmittel und Kochsalzlösung noch über den Tropf, der am kommenden Tag schon wieder gestoppt werden konnte. Denn Viktoria trank und aß ganz normal und musste bald nicht mehr mit Flüssigkeit versorgt werden.



Bald war sie schon wieder ganz die Alte und versuchte, ihre kleine Bettnachbarin zu beobachten, die sich gemeinsam mit ihrer Mama während unseres Aufenthaltes das Zimmer mit uns teilte. Im ersten Moment dachte ich noch, dass die Zeit mit zwei kleinen und vor allem frisch operierten Mädchen in einem Zimmer mit unterschiedlichen Tagesabläufen sicherlich sehr anstrengend werden würde. Aber es hat wirklich sehr gut geklappt. Die Nächte waren relativ ruhig und tagsüber haben wir uns mit dem Rausgehen abgewechselt, damit jedes Mädchen auch mal seine Ruhe hatte.
Zwei Tage nach der Operation wurde zum ersten Mal der Verband bei Viktoria gewechselt und wie erwartet hat sie sich wirklich mit Händen und Füßen gewehrt. Drei Schwestern und die Ärztin waren nötig, um die Gipsschiene wieder ordentlich zu befestigen und zu verbinden. Die Angst war groß und die Schmerzen sicher auch nicht zu verachten, aber auch ich musste sie mit festhalten, damit auch alles dableibt, wo es während der Operation hingeschoben wurde. Ich konnte erstmals einen Blick auf die 3 Narben werfen, die erstaunlich gut aussahen. Dennoch waren es Operationsnarben und sie tat mir unglaublich leid, dass sie das alles durchmachen musste. Aber die Ärzte waren sehr zufrieden mit der Wundheilung und gaben gute Prognosen. Und nachdem der Verbandswechsel geschafft war, konnten wir auch endlich einmal mit dem Kinderwagen rausgehen, den wir extra mitgebracht hatten. Denn mit dem alten Verband wurde auch die Wunddrainage entfernt, die ich niemals mit in den Jackenärmel bekommen hätte.
So aber erkundeten wir die Krankenhaus-Umgebung und schnappten einfach frische Luft am Ententeich. Die erste Runde war sehr klein, auch weil das Hamburger Schietwedder seinem Namen alle Ehre machte. Die nächsten Tage weiteten wir unsere Erkundungstouren immer mehr aus und entdeckten wunderschöne Ecken rund um die Klinik. Ich bin so froh, dass wir trotz Corona das Krankenhaus stundenweise verlassen durften. Ansonsten wären die Tage ohne Besuch und ohne Ausflüge vermutlich in einem Lagerkoller geendet. So aber konnten wir uns immer wieder ablenken. Die Klinik führt in der Liste der Dinge, die man für den Aufenthalt mitbringen sollte, auch explizit einen Kinderwagen auf. Dafür bin ich sehr dankbar, denn vielleicht hätte ich gar nicht daran gedacht und wir hätten nicht so einfach rausgehen können. Das Zimmer bot auch genügend Platz, um zwei Kinderwagen zu parken.

Zusätzlich hatte ich auch gefühlt einen Koffer voller Spielzeug mit, um Viktoria während des Klinikaufenthaltes zu beschäftigen. Dass sie vom Osterhasen ein tragbares Peppa-Wutz-Haus bekommen hatte, war nicht uneigennützig, denn wir spielten wirklich viel mit dem Haus, den Möbeln und den Figuren. Auch Magnetbücher haben super funktioniert, weil Viktoria die Magnete auch nur mit einer Hand verteilen konnte. Ebenso ihre heiß geliebten Stapelbecher, die einfach immer mitmüssen und die vielfältigsten Spielideen liefern. Und natürlich – da muss man kein Geheimnis draus machen – war das Tablet in den Tagen mein bester Freund, die Medienzeit für Viktoria entsprechend hoch. Denn Peppa Wutz, die Eiskönigin und andere Trickfilme lenkten super von Schmerzen und Angst ab und gaben mir auch mal die Möglichkeit, zur Toilette oder in die Dusche zu gehen. Da wurde ich mit Hochstuhl im Bad und Tablet auf dem Waschbecken eben erfinderisch.


Am Samstag (die Operation war am Mittwoch) überraschte uns die Chefärztin dann mit der Ankündigung, dass wir am Sonntag nach Hause dürfen. Ich war total happy und freute mich unglaublich, schon so früh wieder entlassen zu werden. Eigentlich hatten wir mit Montag oder Dienstag gerechnet. Aber weil die Wundheilung bei Viktoria so gut aussah, gab es keinen Grund mehr, noch länger zu bleiben. Und so holten uns Papa und Adam dann am Sonntagmittag aus der Klinik ab. Ihr könnt euch die Freude auf beiden Seiten sicherlich lebhaft vorstellen. Es war so schön, wieder zu viert zu sein.

Am Donnerstag, also schon übermorgen haben wir dann unseren nächsten Termin in Hamburg. Sechs Wochen nach der Operation kommt nun endlich der Gips ab und wir sehen den Erfolg der Operation mit eigenen Augen. Ich bin schon so gespannt!
Über unsere Gipsarm-Zeit und den Termin in Hamburg gibt es dann bald einen separaten Artikel für euch.
2 Kommentare zu „Update vom Babymädchen: Viktorias große Operation“